„Jauchzet, ihr Himmel; freue dich Erde!…“ Jesaja 49,13a
Liebe Leserinnen und Leser,
in diesen Sommerwochen sind wir dem Himmel hoffentlich etwas näher als sonst. Ob wir jetzt eine Zeit am Meer verbringen und die Weite des Horizonts genießen oder in den Bergen auf einem Gipfel stehen – dem Himmel so nah.
Haben Sie schon einmal probiert, nach einem Stück Himmel zu greifen?
Das ist wie ein Haschen nach Wind. Erde lässt sich anfassen und in die Hand nehmen, sie krümelt zwischen den Fingern hindurch. Der Himmel nicht.
Himmel ist weder greifbar noch fassbar.
Himmel – unfassbar, unverfügbar. Und doch ist er da, umspannt die ganze Erde. Kein Ort auf dieser Welt ohne Himmel. Kein Winkel, der nicht von Himmel umgeben und gefüllt ist.
Die Dichterin Wislawa Szymborska hat diese Einsicht in folgende Worte gefasst:
„Der Himmel
Damit hätte man anfangen sollen: der Himmel. Ein Fenster ohne Brett, ohne Rahmen ohne Glas. Eine Öffnung und sonst nichts, aber weit offen.
Ich muss nicht warten auf die klare Nacht, den Kopf nicht nach oben recken, um den Himmel zu betrachten. Den Himmel hab ich im Rücken, zur Hand, auf den Lidern. Der Himmel umhüllt mich dicht und hebt mich vom Boden.
Sogar die höchsten Berge sind dem Himmel nicht näher als die tiefsten Täler.
An keinem Ort gibt´s von ihm mehr als an einem andren. Auf der Wolke lastet der Himmel genauso rücksichtslos wie auf dem Grab. Der Maulwurf ist genauso himmelfahrend wie die Eule, deren Flügel beben. Was in den Abgrund fällt, fällt vom Himmel.
Schüttere, flüssige, felsige, feurige oder flügge Himmelsstriche, Himmelskrumen, himmlischer Hauch oder Haufe. Der Himmel ist allgegenwärtig, sogar im Dunkel unter der Haut. Ich verspeise den Himmel, scheide Himmel aus. Ich bin die Falle in der Falle, ein bewohnter Bewohner, eine umarmte Umarmung, Frage in Antwort auf eine Frage…“
Der Himmel, diese Ansicht gebrochenen Lichts, wenn ich von der Erdoberfläche in Richtung Weltraum blicke. Der Himmel, dieses Sinnbild für eine andere Wirklichkeit, die wir Gott nennen. Ganz nah bei uns und zugleich sehr weit weg – die Unendlichkeit des Himmels. Kein Ort, an dem der Himmel nicht über uns wäre. Einen himmellosen Ort gibt es nicht. Das ist mir eine hilfreiche Vorstellung für unseren Glauben. Denn Gott verorten wir ja schnell im Himmel, was wörtlich verstanden eine Engführung, symbolisch verstanden erhellend ist. Wenn es keinen Ort ohne Himmel gibt, dann gibt es auch keinen Ort ohne Gott. Auch Gott lässt sich nicht fassen. Er ist über uns, wie der Himmel über uns ist und in uns, wie der Himmel in uns ist. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen himmlische Erfahrungen. Freuen Sie sich in diesen Sommertagen über das ausgespannte, blaue Zelt über sich und spüren sie den Himmel tief in ihrer Seele.
Pfarrerin Frauke Leonhäuser, Bozen