
Mobilität – Südtirol als Vorbild?
Südtirol hat nachhaltiges Potenzial, aber es braucht mehr politischen Willen und Investitionen in einen effizienten öffentlichen Verkehr.
Potenziale und Schwachstellen
Oft wird Südtirol im Bereich der Mobilität, besonders innerhalb Italiens, als führend angesehen. Doch lässt sich das tatsächlich so allgemein sagen? Und was bedeutet überhaupt zukunftsorientierte Mobilität? Mit diesen Fragen durfte ich mich im vergangenen Jahr als Mitglied des Ersten Südtiroler Klimabürgerrates tiefgehend beschäftigen.
Die Pyramide der nachhaltige Mobilität
Um zu einer möglichst effizienten Mobilität zu gelangen, gilt es zunächst, die „Pyramide der nachhaltigen Mobilität“ zu befolgen: Es geht zunächst darum, überflüssigen Verkehr zu vermeiden. Möglich wird dies durch eine Raumplanung, die die wichtigsten Orte des öffentlichen Lebens, wie z.B. Ärzte oder Geschäfte für den täglichen Bedarf in fußläufiger Nähe der Wohngebiete sieht. Im nächsten Schritt heißt es dann, den restlichen Verkehr auf klimafreundlichere Verkehrsmittel zu verlagern. Für kürzere Strecken eignet sich die aktive Mobilität, vor allem das Fahrrad, während auf weiteren Strecken öffentliche Verkehrsmittel die Priorität haben sollten. Der letzte Schritt (1) sieht die Optimierung des übrigbleibenden oder nicht verlagerbaren Verkehrs vor.
Das bedeutet, dass man für diesen Teil des Verkehrs möglichst wenig schädliche und sparsame Technologien einsetzt. Hier ist wichtig zu erwähnen, dass zum Beispiel die Elektromobilität nur dann zum Klimaschutz beitragen kann, wenn sie im Zusammenhang mit den vorherigen Stufen der Pyramide gedacht wird, nicht aber als einzige Maßnahme auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität.

Anwendungskritische Punkte
Betrachtet man diesen Ansatz genauer, so werden auch in Südtirol einige Schwachstellen deutlich. An einigen Orten besteht das Potenzial, bei der Raumplanung anzusetzen und damit besonders kurze Fahrstrecken zu vermeiden. An diesem Punkt sind einige Südtiroler Gemeinden bereits auf einem guten Weg.
Viel zu tun gibt es jedoch bei der Verlagerung: Laut einer Statistik aus den Jahren 2021 und 2022 wird das Auto noch immer für 54 Prozent aller Strecken genutzt (2). Hier zeigen sich auch Probleme, die nach außen nicht immer sofort erkennbar sind.
Wenn ich mit Menschen über das Thema spreche, höre ich regelmäßig, dass es für sie schwierig ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen ihrem Wohnsitz und dem Arbeitsplatz zu pendeln, da es zu frühen Uhrzeiten am Morgen keine Verbindungen gibt oder sie sich in der touristischen Hauptsaison nicht auf Busse oder Züge verlassen können, da diese regelmäßig überfüllt sind.
Auch nach den Treffen unserer Evangelischen Jugendgruppe haben einige von uns Schwierigkeiten, nach Hause zu kommen, da die Verbindungen in den Abendstunden teilweise sehr spärlich sind. Außerhalb der Hauptsaison treten diese Probleme besonders häufig auf, da die Angebote im ÖPNV deutlich reduziert sind.
Die vergebenen Chancen der Olympischen Winterspiele
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Südtirol an einigen Punkten durchaus zeigt, dass nachhaltige Mobilität möglich ist, doch der Wille zur Umsetzung scheint an einigen Punkten noch zu fehlen. Das fällt besonders mit Blick auf die Olympischen Spiele nächsten Winter auf.
Anstatt sich rechtzeitig um einen Ausbau der Bahnlinie zu kümmern und damit bei der Verlagerung ernst zu machen, soll im bereits überlasteten Pustertal ein doppelstöckiger Kreisverkehr entstehen. Leider schafft es die Lobby auch hier immer wieder, dass das Bebauen eine deutlich höhere Priorität erhält als das Bewahren. Dennoch bin ich überzeugt, dass Südtirol zu einem echten Vorbild für die nachhaltige Mobilität werden kann, wenn das genug Menschen einfordern.
Simon Harder
Bibliografische Angaben
- Marco Baratieri S. F., 2024
- ivi.