
Alles was euch befohlen wurde
Liebe Leserinnen und Leser,
wahrscheinlich seid ihr auch noch dabei, die intensiven Tage unserer Synode zu verdauen. Vielleicht seid ihr schon wieder voll in eure Arbeit oder euer Gemeindeleben eingestiegen, oder ihr genießt noch ein paar Tage Urlaub, die ihr an den 1. Mai gehängt habt.
Gestern, während der Zugfahrt von Neapel nach Torre Annunziata, habe ich die Landschaft aus dem Fenster betrachtet, was immer eine wohltuende Wirkung auf mich hat: das Meer, das die schwarzen Strände des Vesuvs umspült, auf der anderen Seite die Städte, die sich bis zu den Hängen des Vesuvs erstrecken, die Küste, die sich im Hintergrund schlängelt, und Capri, das weiter draußen schwimmt.
Es wird noch ein paar Tage dauern, bis sich die vielen Impulse, die wir auf der Synode geteilt haben, setzen und klarere Ideen über die Situation unserer Kirche und ihre Zukunft entstehen. Das war nämlich das Thema und das Ziel unserer Sitzungen in Rom. Wie wir aus Erfahrung wissen, sind es zunächst die Zweifel, die das Übergewicht haben, weil wir von Natur aus dazu neigen, uns ein eher negatives Bild zu machen. Damit sich das Bild mit vielfältigeren und helleren Farben wieder zusammensetzt, braucht es etwas Zeit und Gnade.
Als ich in Torre Annunziata ankam, ging ich in unsere Kirche und schlug das Buch mit den täglichen Bibelzitaten „Un giorno una parola“ (Ein Tag, ein Wort) auf. Ich stieß auf diesen Vers vom Dienstag, 29. April, aus dem Lukasevangelium 17,10: „So auch ihr: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte. Wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“
Manchmal ist es genau so: Wenn wir uns nutzlos fühlen, ist das nicht unbedingt ein beunruhigendes Zeichen von Ohnmacht und Depression, sondern eine Gelegenheit, uns zu fragen: Haben wir alles getan, was uns aufgetragen wurde? Nicht das, was wir uns vorgenommen haben, sondern das, was Jesus uns in seiner Kirche aufgetragen hat? Und wenn die Antwort lautet: „Wahrscheinlich nicht, und wie könnten wir das auch?“, dann hört man eine andere Stimme, die uns beruhigt und uns Mut macht: „Komm schon, du hast neue Möglichkeiten, dich einzubringen, neue Energie, neue Ideen, und bleib auf jeden Fall auf dem Boden, sieh dich weiterhin als nutzlosen Diener, aber voller Gnade des Herrn.“
Pfarrer Alberto Rocchini, Torre Annunziata