Dietrich Bonhoeffer

Dietrich Bonhoeffer (4. Februar 1906 bis 9. April 1945) war ein lutherischer Pastor, ein Universitätsprofessor und Doktor der Theologie, ein Pionier der Ökumene-Bewegung, ein vielschaffender Schriftsteller, ein Poet und eine zentrale Figur im Kampf gegen das Nazi-Regime. 1906 gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester Sabine in Breslau (damals noch zu Deutschland gehörend) geboren, war Dietrich das sechste der acht Kinder von Karl und Paula Bonhoeffer. Sein Vater war ein bedeutender Psychiatrie- und Neurologieprofessor, seine Mutter eine der wenigen Frauen ihrer Generation  mit einem Universitätsabschluss. Nachdem er 1927 sein Theologiestudium in Berlin beendet hatte, begann Bonhoeffer 1928 als Pastor in einer deutschen Kirche in Barcelona zu arbeiten. 1930 ging er nach New York, um im dortigen Union Theological Seminary zu studieren; 1931 begann er an der theologischen Fakultät Berlins zu lehren und wurde zudem zum Pastor ordiniert. Zu dieser Zeit begann sein Engagement in der gerade entstehenden ökumenischen

Bewegung, dabei knüpfte er internationale Kontakte, die während seines Einsatzes in der Widerstandsbewegung von großer Wichtigkeit sein würden. 1931 wurde er zum Jugendsekretär des Weltverbandes für die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen gewählt, 1933 begann seine Mitgliedschaft im christlichen Weltrat „Life and Work“ (dem späteren ökumenischen Rat der Kirchen). Mit Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 begann für die evangelische Kirche in Deutschland, zu der Bonhoeffer gehörte, eine schwierige und heikle Phase. Viele deutsche Protestanten begrüßten das Aufkommen des Nationalsozialismus wohlwollend; vor allem die Gruppe der sogenannten „Deutschen Christen“ schwang sich zum Wortführer der nationalsozialistischen Ideologie innerhalb der Kirche auf, dies ging soweit, dass sie die Streichung des Alten Testamentes in der Bibel forderten. Im Sommer 1933, inspiriert von den staatlichen Rassengesetzen, schlugen sie einen „Arierparagraphen“ für die Kirche vor, der vorsah, dass „Nicht-Arier“ weder kirchliche Ämter übernehmen noch Religionslehrer werden dürfen. Die darauf folgende Auseinandersetzung führte zu einer tiefen Spaltung der Kirche: Die Idee der „Judenmission“ war zwar weit verbreitet, doch jetzt behaupteten die Deutschen Christen, dass die Juden einer eigenen Rasse angehörten und noch nicht einmal durch die Taufe „arisch“ werden könnten – und verneinten damit die Gültigkeit des Evangeliums. Bonhoeffer trat mit Vehemenz gegen den Arierparagraphen ein und erklärte, dass dessen Ratifizierung bedeuten würde, dass sich der christliche Glaube der politischen Ideologie unterwirft: Wenn den „Nicht-Ariern“ der Zugang zum kirchlichen Amt versperrt werden würde, dann müssten die Pastoren als Zeichen der Solidarität ihr Amt niederlegen, auch um den Preis der Gründung einer neuen Kirche, frei vom Einfluss des Regimes. In seinem Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“ vom April 1933 stellte Bonhoeffer als erster die Frage nach dem Verhältnis zwischen Kirche und Nazidiktatur und bekräftigte dabei deutlich seine Ansicht, dass die Kirche verpflichtet sei, sich politischer Willkür entgegenzustellen.

Als der Arierparagraph im September 1933 von der nationalen Synode der evangelischen Kirche verabschiedet wurde, setzte Bonhoeffer sich dafür ein, dass die internationale ökumenische Bewegung informiert und für die Bedeutung dieser Frage sensibilisiert würde. Zudem lehnte er eine Stelle als Pastor in Berlin ab, aus Solidarität mit denjenigen, die aus Rassegründen vom kirchlichen Amt ausgeschlossen wurden und entschied, in eine deutschsprachige Gemeinde nach London umzuziehen. Im Mai 1934 entstand auf Initiative einer Minderheit innerhalb der deutschen evangelischen Kirche die sogenannte Bekennende Kirche, die in Opposition zum Nationalsozialismus die Barmener Erklärung verabschiedete. Im April 1935 kehrte Bonhoeffer nach Deutschland zurück, um für die Bekennende Kirche die Leitung eines Predigerseminars im Untergrund zu übernehmen, zunächst in Zingst, später dann in Finkenwalde. Die Bekennende Kirche litt zu der Zeit unter wachsenden Repressionen, die 1937 ihren Höhepunkt erreichten, als Himmler die Pastorenausbildung innerhalb der Bekennenden Kirche per Dekret als illegal erklärte. Im September wurde das Seminar in Finkenwalde von der Gestapo aufgelöst, in den zwei folgenden Jahren arbeitete Bonhoeffer im Geheimen als Lehrer weiter; im Januar 1938 verbannte ihn die Gestapo aus Berlin und im September 1940 verbat sie ihm, sich öffentlich zu äußern. 1939 näherte sich Bonhoeffer einer Verschwörungs- und Widerstandsgruppe gegen Hitler an, die sich um seinen Schwager, den Anwalt Hans von Dohnanyi, den Admiral Wilhelm Canaris und den General Hans Oster und andere mehr gebildet hatte. Der Theologe war ein wichtiges Bindeglied zwischen der internationalen ökumenischen Bewegung und den deutschen Verschwörern gegen Hitler. Seine Mithilfe bei der Flucht einer Gruppe von Juden führte zu seiner Verhaftung im April 1943. Während der beiden Jahre in Gefangenschaft, die seinem Tod vorausgingen, ergründete Bonhoeffer die Bedeutung des christlichen Glaubens in einer „mündig gewordenen Welt“ und fragt in seinen Briefen an seinen Freund Eberhard Bethge: „Wer ist Christus heute für uns?“ Das Christentum sei zu häufig aus der Welt geflohen, habe versucht, für Gott eine letzte Zuflucht in einem „religiösen“ Winkel zu finden, in Sicherheit vor Wissenschaft und kritischer Nachfrage. Aber Bonhoeffer behauptet, dass es genau diese Menschheit in ihrer Stärke und Mündigkeit ist, die Gott beansprucht und verwandelt in Jesus Christus, dem „Mensch, der für andere ist“. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wird Bonhoeffer in ein Berliner Gefängnis verlegt, später dann ins Konzentrationslager Buchenwald, schließlich ins Konzentrationslager Flossenbürg, wo er gemeinsam mit anderen Verschwörern erhängt wird. Im Laufe seines Lebens veröffentlichte Bonhoeffer Sanctorum communio (1930), Akt und Sein (1931), Nachfolge (1937) und Gemeinsames Leben (1938). Die Notizen und Briefe die er während seiner Gefangenschaft für seinen Freund Eberhard Bethge verfasste, wurden von diesem 1951 posthum unter dem Titel Widerstand und Ergebung veröffentlicht, ebenso wie Bonhoeffers Briefe an seine Eltern und einige Gedichte. Nach seinem Tod erschienen auch die Werke, die laut dem Autor seine größte Leistung darstellten: Ethik (1949), Versuchung (1953) und Die mündige Welt (1955-66).

(NEV, 13-14/ 2005)